Zu hohe Erwartungshaltung

ein Schloss für die Ewigkeit!ein Schloss für die Ewigkeit!

Parship. eDarling. Lovescout. Was im digitalen Zeitalter für viele Singles zum guten Ton gehört und nichts Schlimmes ist, führte in den Siebzigern in den Tageszeitungen ein Nischendasein. Kleingedruckt, mit einem sehr anrüchigen und negativen Touch, ganz weit hinten im Anzeigenteil, den die meisten Leser eh überblätterten, es sei denn, sie waren auf der Suche nach dem Glück. „Solventer Herr in sicherer Anstellung sucht Frau fürs Leben.“ Kreativität sieht anders auch, er hätte auch gleich schreiben können, dass er eine devote Frau fürs Bett und Kochen benötigt. Als wir diese Formulierungen im Deutschunterricht interpretierten, fragte ich mich immer, welcher normale Mensch braucht denn sowas? Glück und Liebe kann man doch nicht erzwingen. Oder etwa doch?

Als ich nach meinem Studium in den späten Achtzigern in Stuttgart arbeitete, blätterte ich mit einem Kollegen durch ein Szenemagazin der Stadt. Wir blieben bei den Partnersuchanzeigen hängen und studierten die Texte. Von angestaubt über kreativ bis plump wurde die ganze Bandbreite bedient. Ob das Inserat – bin gut drauf und suche was für drunter – den gewünschten Erfolg mit sich brachte, ist mir nicht bekannt, es würde mich aber wundern, dass da überhaupt eine Frau drauf geantwortet hat.

Bei mir dauerte es noch zehn weitere Jahre, bis ich – mittlerweile in Frankfurt lebend – das erste Mal auf eine Kontaktanzeige antwortete. Handschriftlich, vorgeschrieben, und trotzdem dreimal von Neuem angefangen, warf ich den Brief ein paar Tage später – schließlich musste ein passendes Foto von mir ja noch im Fotoladen entwickelt werden – händezitternd in den Briefkasten. In der Folgezeit konnte ich es kaum abwarten, zu Hause in meinen Briefkasten oder auf den Anrufbeantworter zu schauen. Habe ich im Anschreiben die richtigen Worte gefunden? Wie wirkt wohl das Bild? Bin ich überhaupt ihr Typ? Und komme ich in die engere Auswahl? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die Frage, ob sie überhaupt mein Typ ist, stellte ich mir erst gar nicht. Ihre Beschreibung war eindeutig: sportlich attraktive Beraterin mit langen blonden Haaren! Was kann da eigentlich noch schiefgehen? Mit etwas Abstand sogar sehr viel. Aber der Reihe nach.

Ungefähr drei Wochen später erhielt ich abends einen Anruf. Isolde. Der Vorname deutete auf Langeweile, ihre Stimme und das Telefonat selbst allerdings waren alles andere. Kurzum, wir verabredeten uns irgendwo in Neu Isenburg. Ein Foto von ihr bekam ich nicht zu sehen, Smartphones gab es zu der Zeit noch nicht und meine dienstliche E-Mail Adresse wollte ich nicht hergeben.

Ich erinnere mich noch genau an den Samstagnachmittag, leicht bedeckt, ein wirklich schöner Frühlingstag. Wir hatten uns für 15 Uhr verabredet. Ihr Erkennungszeichen war – völlig selbstbewusst – die attraktive langhaarige Blondine im Cabrio. Ich weiss nicht warum, aber irgendwie hatte ich vor meinem allerersten Blind Date etwas Schiss und die Sorge vor einem absoluten Desaster. Etwas früher als verabredet war ich an dem verabredeten Treffpunkt. Kurzfristig habe ich mich doch zu einem anderen Outfit entschieden als angekündigt. An dem normalerweise relativ einsamen Platz herrschte rege Betriebsamkeit. Ich hatte das Gefühl, dass dort nur Singles herumstanden, die sich um 15 Uhr mit ihrer Herzdame treffen wollten. Hoffentlich kommt sie überhaupt, kurzfristig telefonisch absagen war nicht möglich, schließlich hatte ich damals noch kein Handy, und das mit Mitte Dreißig. Heutzutage unvorstellbar. Ich beobachtete das bunte Treiben und hielt Ausschau nach Blondinen im Cabrio. Und tatsächlich, um Punkt 15 Uhr suchte die Fahrerin eines offenen Mercedes SL einen Parkplatz. Kurze Zeit später stieg eine hochattraktive Endzwanzigerin mit unendlich langen Beinen aus, blickte sich einmal um, ging in meine Richtung, um plötzlich abzubiegen. Schade. Das wäre – rein optisch betrachtet – der Megaknaller gewesen. Ich wartete also weiter. Kurz darauf das nächste Cabrio, diesmal ein Golf. Allerdings stieg ein junger blonder Mann im Sportdress aus, um sofort loszulaufen. Da stand ich nun, ich armer Tor, der langsam ungeduldig wurde. Und da kam sie. Das musste sie sein. Alle guten Dinge sind bekanntlich drei: Cabrio mit blondem Inhalt. Ich beobachtete das Schauspiel, wie die Fahrerin das ohnehin schon sehr verbeulte und in die Jahre gekommene französische Auto umständlich einparkte. Als eine nicht ganz so sportliche Frau in zerbeulten Jogginghosen und schrecklich hochgesteckten Haaren ausstieg, sich umsah und dabei immer wieder auf ein Foto schaute, ging ich instinktiv zur nahegelegenen Telefonzelle – so etwas gab es damals noch – und tat so, als würde ich telefonieren. Das musste Isolde sein. Oh je, Schreck lass nach, wie komme ich nur aus dieser Nummer heraus? Glücklicherweise hatte ich auf dem Foto einen Dreitagebart und einen Pulli mit Schal an, sodass eine gewisse Ähnlichkeit mit meinem aktuellen Ich zwar da war, aber …. Und da Isolde fast jeden Mann ansprach, wusste ich, dass mein spontaner Plan klappen könnte. Als sie letztendlich auch mich fragte, ob ich Klaus sei, verneinte ich dies, „telefonierte“ weiter und fuhr kurze Zeit später nach Hause.

Sicherlich nicht die feine Art, aber in dem Moment konnte ich einfach nicht anders, und der Spruch, es kommt auf die inneren Werte an, hatte mit einem Mal ein Gesicht: Isolde. Ich hoffe, Du hast Deinen Traummann doch noch gefunden.

Und heute? Ein echtes Blind Date ohne Foto? Undenkbar, aber das ist eine andere Geschichte!