Muhammad Ali, George Foreman und Joe Frazier gehören in den Sechzigern und Siebzigern zu den besten Schwergewichts-Boxern. Millionen von begeisterten Fans auf der ganzen Welt verfolgen die live im Fernsehen übertragenen Kämpfe, sorgen für leergefegte Straßen. Die 1974 in Kinshasa und 1975 in Manila ausgetragenen Boxkämpfe “Rumble in the Jungle” und “Thrilla in Manila” gehören zu den wohl größten und medienwirksamsten Großereignissen jener Zeit. Eine Mischung aus faszinierendem Sport, Spektakel und angsteinflößendem Grauen zugleich! Noch heute sorgen die Bilder und die mit aller Härte ausgetragenen Duelle für kontrovers geführte Diskussionen.
2024 bereiste ich zum ersten Mal die Philippinen. Die dicht besiedelte Hauptstadt Manila gehört bestimmt nicht zu den schillerndsten Metropolen der Erde. Manila polarisiert, ist eine Stadt der Kontraste: Arm und reich, modern und historisch, hektisch und ruhig, dreckig und sauber, verkommen und gepflegt, all diese Gegensätze wechseln von einem Straßenblock zum nächsten. Kein Wunder, dass die meisten Besucher bereits am Flughafen der Heimat von 15 Millionen Einwohnern den Rücken zukehren, um möglichst schnell die pittoreske Inselwelt der Philippinen zu entdecken. Auch ich nehme mir zu wenig Zeit. Eineinhalb Tage reichen einfach nicht aus, sich auch mal ziellos treiben zu lassen, um abseits der Touristenströme kleine, versteckte Spots zu entdecken, etwas am Alltag der Bewohner teilzuhaben. In den wenigen Stunden Aufenthalt schaffe ich es noch nicht einmal, dem Araneta Coliseum einen Besuch abzustatten, jener Sportstätte, in der der legendäre „Thrilla in Manila“ ausgetragen wurde. Wirklich schade.
Ortswechsel
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Nur ein 90-minütiger Flug von Manila entfernt liegt auf der südwestlich gelegenen Insel Palawan das touristische Zentrum El Nido. Ein exotischer, quirliger, multikultureller Ort mit verwunschenen Buchten, malerischen Gässchen, leckerem Street Food und etwas Ruhe von den Menschenmassen der Hauptstadt, das ist meine Erwartungshaltung. Pustekuchen! Kaum angekommen, holt mich die Realität schnell ein. Ich fühle mich wie in Klein-Manila. Das architektonisch wirklich schäbige Städtchen bietet außer den typischen Bars, Restaurants, T-Shirt- und Nippes-Ständen nichts, es ist einfach nur dreckig und voll. Letzteres mag auch an den bevorstehenden Full Moon Partys liegen, die ein must be für die feier- und tanzwütigen Backpacker aus aller Welt sind. Für mich definitiv viel zu viel Gedrubbel. Aber nutzt ja nichts, wenn ich schon mal hier bin.
Glücklicherweise sind die Ausflüge zu den vorgelagerten Inseln nicht so ausgebucht wie befürchtet. Mit maximal acht Personen teile ich mir an zwei Tagen eines der vielen Auslegerboote, erreiche idyllisch gelegene Buchten mit traumhaften Stränden und Palmen bis zum kristallklaren badewannenwarmen Meer. Und all das inmitten von Kalkfelsen, die wie überdimensionierte zusammenhängende Nadeln aus dem türkisfarbenen Wasser ragen. Wohin ich schaue, es verschlägt mir die Sprache, erst recht in den Lagoons, die ich im Kayak oder schwimmend entdecke. Entspannung pur. Einfach unvergesslich.
Ave Maria am Nacpan Beach
Meinen letzten Urlaubstag möchte ich definitiv nicht in der austauschbaren Backpacker-Hochburg – Bali, Phuket und Koh Samui lassen grüßen – verbringen. Das ist alternativlos. Einem Tipp der Bedienung im Café sowie zwei, drei weiteren Suchanfragen und Klicks im Netz später, steht das Tagesziel fest. Der 20 Kilometer entfernte Nacpan Beach, eine sichelförmige langgezogene Bucht. Zum Glück warten in El Nido an jeder Ecke Fahrer mit ihren Tricycles, einer kleineren Variante der thailändischen Tuk Tuks auf drei Rädern, auf das Geschäft ihres Lebens. So auch gegenüber von meinem Hotel. Kaum entkomme ich der viel zu stark klimatisierten Lobby, begrüßt mich nicht nur die Hitze und Schwüle des Vormittags, sondern auch mehrere Tricycle-Anbieter. Glücklicherweise allesamt freundlich zurückhaltend, sonst wäre ich wohl einfach vorbeigegangen.
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Meine Wahl fällt auf einen gemütlich dreinschauenden Menschen, einer Mischung aus Muhammad Ali und einem Preisboxer. Da ich keine Lust auf theatralisches Schachern um ein paar Philippinische Pesos habe, sind wir uns schnell handelseinig. Den geforderten Betrag von umgerechnet knapp fünfzehn Euro halte ich – inklusive drei Stunden vor Ort – für mehr als fair. Und die sind gut investiert.
Die Hinfahrt vergeht wie im Fluge, bietet außerhalb von El Nido rechts und links der wenig befahrenen Straße interessante Einblicke in das Landleben der Bevölkerung. Von Hektik keine Spur, alles wirkt entspannt, besonders mein Fahrer. Seine Mimik spricht Bände und spiegelt seinen Gemütszustand wider. Auch der erforderliche Tankstopp bringt ihn nicht aus der Ruhe. Zwei Liter Kraftstoff aus alten Cola-Glasflaschen später – verbunden mit dem Austausch neuester Klatsch- und Tratschnachrichten – setzt er die Fahrt fort, fängt an zu singen. Zunächst ganz leise und mit jedem gefahrenen Kilometer intensiver. Aber nicht irgendetwas, sondern das Ave Maria von Franz Schubert. Unwillkürlich schließe ich meine Augen und lausche seiner Stimme und dem tollen Gesang. Genauso abrupt wie die Fahrt, endet auch seine Darbietung. Mit einem „Jesus loves you“ deutet er lächelnd wie einst Mutter Theresa auf den nahegelegenen Strand. Wie geil ist das denn bitte!
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Genauso wie der Nacpan Beach, bei dem sich die wenigen Besucher auf den gefühlt endlos langen Kilometern herrlich aus dem Weg gehen können. Idylle pur im Paradies, begleitet von einer leichten Geräuschkulisse aus sanftem Plätschern der Gezeiten, dem Rauschen der Palmenblätter, perfekt untermalt mit dem Ohrwurm des Tages, dem Ave Maria.