Reisen bildet, eröffnet neue Perspektiven, verstärkt den Weitblick und das Verständnis für fremde Kulturen, Ethnien, Religionen, Menschen und Lebensweisen. Pittoreske Landschaften, idyllisch gelegene Seen, ausgesetzte Gebirgszüge und endlose Strände ziehen Reisende ebenso in ihren Bann wie die unterschiedlichen Stilepochen in der Architektur. Doch bevor man all dies an der Destination seiner Träume erleben und genießen kann, ist die Anreise angesagt – häufig mit dem Flugzeug.
All doors in park
„All doors in park!“ Diese Ansage gibt mit dem gleichzeitigen Ausschalten der Anschnallzeichen den Startschuss für das Drama eines kontrolliert ungeordneten Ausstiegs. Hektisch springen die Fluggäste aus ihren Sitzen, beruhigen quäkende Kinder, wuchten Tüten, Taschen, Rücksäcke und kleinere Koffer – teilweise ohne Rücksicht auf Verluste – aus den Gepäckfächern, ziehen gleichzeitig ihre Jacken an, um möglichst schnell mit Kind und Kegel aus dem fliegenden Untersatz zu gelangen. Und ja, laut telefoniert wird parallel auch schon.
Einen wirklich messbaren Zeitvorteil bringt all jenes nicht, wenn der Ausgang weit entfernt ist, die Business- und First-Class-Gäste eh Vorrang haben sowie aufwändige Einreiseformalitäten und/oder längere Strecken zum Gepäckband anstehen. Dort endlich angekommen, drubbelt es sich – idealerweise mit Kind und Kegel, und Gepäckwagen – auf den zwei bis vier Quadratmetern des Bereiches, an dem die Koffer aus dem “Bauch des Flughafens“ gespuckt werden. Warten ist angesagt, wieder einmal.
„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.
Drum nahm ich meinen Stock und Hut Und that das Reisen wählen.“
Matthias Claudius (1740–1815)
Situationskomik bei der Gepäckausgabe
Bei meiner letzten Flugreise stehe ich etwas abseits an der zweiten Kurve der Gepäckausgabe. Vor mir telefoniert in erster Reihe ein Business-Reisender – den Kabinenrollkoffer neben sich – hektisch gestikulierend mit seiner Sekretärin. Als er plötzlich seinen ziemlich großen Koffer erspäht, ist es auch schon zu spät. Anstatt eine Runde zu warten, beendet er abrupt sein Telefonat, verstaut das Smartphone umständlich in der Manteltasche, und rennt seinem Gepäck hinter, den Rollkoffer neben sich herziehend. Jenes entfernt sich jedoch auf dem Band unbeirrt weiter, Meter für Meter. Seiner kurzen Beine zum Trotz verkürzt er tatsächlich den Abstand, indem er seine Körperfülle wie ein Schneeschieber einsetzt und die in seinem Weg wartenden – entgeistert blickenden – Passagiere zur Seite bugsiert. Für mich eine Mischung aus Dreistigkeit, Unverschämtheit und Situationskomik pur.
Seinen Koffer in Griffweite wähnend, beugt er sich leicht nach vorne, um ihn vom Band zu ziehen. Die physikalische Gesetze zieht der Reisende in diesem Moment nicht in Betracht, stattdessen unterschätzt er das Zusammenspiel zwischen dem Gewicht des Koffers, der Bandgeschwindigkeit und seiner Kraft. Das Gepäckstück mittlerweile fest im Griff, gerät er vorwärtslaufend – den Kabinenrollkoffer wohlgemerkt sicher in der anderen Hand – immer mehr in eine grotesk wirkende Seitenschieflage. Hätte ein netter Mitreisender nicht spontan geholfen, wäre er wohl wenige Momente später (vom Universum) auf seinen Koffer gezogen worden und wie Superman (zappelnd) durch die Ankunftshalle „geflogen“. Ein Team der versteckten Kamera hätte solch ein Szenario nicht besser aufsetzen können. Ich gebe zu, ich war kurz davor, dieser skurrilen Vorführung spontan Applaus zu spenden. Dafür kommentiert eine etwas abseits von mir wartende Dame die Slapstick-Einlage kopfschüttelnd schmunzelnd mit einem „unbelievable“, um wenige Sekunden später selbst ihrem Gepäckstück hinterherzurennen. Diesmal sind die im Weg stehenden Mitreisenden allerdings darauf vorbereitet und gehen der Dame schnell zur Hand, ihren Koffer zu sichern! Unbelievable!
Nachdem auch ich meine Reisetasche in Empfang nehme, beginnt – mit einer schönen Geschichte im Gepäck – mein Urlaub.