Zeitreisen in Tennessee

National Museum of African American Music in Nashville, Tennessee

Was fällt Ihnen spontan ein, wenn Sie an Tennessee denken? Sehr wahrscheinlich die Städte Nashville und Memphis, der King of Rock ’n‘ Roll Elvis Presley, Graceland, Dr. Martin Luther King, Country Music und Whiskey. Und beim Thema Triathlon darf natürlich die 2017 in Chattanooga ausgetragenen Ironman 70.3 World Championship mit dem dritten Platz von Laura Philipp nicht fehlen.

Tennessee, der 16. Bundesstaat der USA, bietet seinen Gästen neben Elvis, Country Music und Whiskey noch vieles mehr. Kein Wunder, dass die Bevölkerung bei der Aussprache ihres Bundesstaates eine besondere Betonung auf die letzten drei Buchstaben legt, denn zu entdecken gibt es mehr als genug, wie ich Ende Juli während einer Pressereise nach Nashville, Chattanooga und Townsend erfahren durfte.

Musikalische Zeitreise

Ich gebe zu, dass ich nicht zu den Menschen gehöre, die regelmäßig ins Museum gehen oder besondere Ausstellungen bekannter Künstler ansteuern. Auf meinen Reisen besuche ich jene eher spontan, meist jedoch erst nachdem meine Outdoor-Wishlist abgehakt ist und mir noch genügend Zeit zur Verfügung steht. Auf Pressereisen ist das anders, da gehören solche Besuche zum festen Bestandteil des Programms. So auch in Nashville, wo sich das National Museum of African American Music seit seit Januar 2021 der Geschichte der schwarzen Musik in Amerika widmet. Die Mischung aus geschichtlichem Hintergrund, einer umfangreichen Sammlung von rund 1.500 Artefakten bekannter Künstler und dem interaktiven Erleben von mehr als fünfzig Musikgenres machen das Museum einzigartig. Der Einfluss von Sklaverei, Diskriminierung, Unterdrückung, Aufständen und Kriegen sowie die Bedeutung der Religion für die Entwicklung der verschiedenen Musikrichtungen von Gospel über Blues und Funk bis Hip-Hop wird eindrucksvoll präsentiert. Große und kleine Räume, mal mehr, mal weniger beleuchtet, sind auf das hautnahe Erleben und Verstehen der jeweiligen Musikrichtung ausgerichtet. Für Musikliebhaber der afroamerikanischen Genres ein absolutes „must be“, ebenso wie der Besuch der nicht weit entfernten Country Music Hall of Fame and Museum.

Country Music Hall of Fame Museum in Nashville, Tennessee

Ein Rundgang durch die von vielen Fans auch als das Gotteshaus der Country Music bezeichnete Ausstellung gleicht einem Who‘s who der Musiklegenden wie Johnny Cash, Dolly Parton, Hank Williams, Patsy Cline, Garth Brooks und natürlich Elvis. Die avantgardistisch extravagant anmutende Architektur hebt nicht nur die vielen goldenen und platinfarbenen Schallplatten hervor, sie wirft auch – mit immer neuen Einblicken – ein besonderes Licht auf Glitzeranzüge, Requisiten und Fotos sowie nachgebildete Tonstudios und Arbeitsplätze. Ganz zu schweigen von unendlich vielen Gitarren und den beiden Protzautos von Webb Pierce und Elvis Presley, dem revolverbeladenen Nudie Mobile und dem Gold-Plated Cadillac. Der Höhepunkt des facettenreichen Rundgangs ist die kreisförmig gestaltete Hall of Fame, in der – begleitet von der Frage „will the circle be unbroken?“ – jedes Mitglied auf einer Bronzetafel verewigt ist. Musik bestimmt von mittags bis spät abends das Straßenbild, gefühlt an jeder Ecke „dröhnt“ der Sound aus den Lautsprechern der nahe gelegenen Bars, wo sich bekannte Stars die Klinke in die Hand geben und aufstrebende Sternchen sich in die Herzen der Fans zu singen versuchen. Kein Wunder also, dass Nashville auch als Welthauptstadt der Country Music und Music City bezeichnet wird.

Songbirds Guitar und Pop Culture Museum in Chattanooga, Tennessee

Und auch das 160 Meilen entfernte Chattanooga punktet musikalisch. Im historischen District Chattanooga Choo Choo ist das Songbirds Guitar und Pop Culture Museum für Musikfans allemal einen Besuch wert. In dem in einer der oberen Etagen des stillgelegten Bahnhofs beheimateten Museum kommen Gitarren-Fans aus dem Staunen und Grinsen sicherlich nicht heraus. 1.400 Gitarren, Songbücher, alte Verstärker und Erinnerungsstücke bieten eine Hommage an die Musiker und ihre Instrumente, Geschichten und Erfolge. Der Klang der Gitarren von Chuck Berry, Jimi Hendrix und Eddie Van Halen beispielsweise ist gefühlt auf jedem Quadratmeter hör- und spürbar.

Afroamerikanische Zeitreise

Wer die US-amerikanischen Südstaaten besucht, sollte sich auf jeden Fall mit der Geschichte und Kultur der Afroamerikaner auseinandersetzen. Die meisten denken dabei bestimmt an Sklaverei, Baumwollplantagen, Ausbeutung und unmenschliche Arbeits- und Lebensbedingungen. In Chattanooga war das etwas anders, dort wohnten Sklaven meist in Haushalten, zudem genossen sie auch mehr Freiheiten. Einige waren auch als Kaufleute, Unternehmer oder Ärzte erfolgreich.

Bessie Smith Cultural Center and Chattanooga African American Museum in Chattanooga, Tennessee

Im Bessie Smith Cultural Center und Chattanooga African American Museum wird nicht nur die Kultur der Afroamerikaner bewahrt und gewürdigt, sondern es werden auch zahlreiche Lebensgeschichten dargestellt, die zur Entwicklung Chattanoogas maßgeblich beigetragen haben. Der mit zahlreichen Ausstellungsstücken, Fotos und Nachbildungen – beispielsweise von Friseurstudios – kurzweilig gestalte Rundgang versetzt den Besucher in eine fremde Zeit, verbunden mit der nicht direkt ausgesprochenen dringenden Aufforderung, dass Unterdrückung und Ausbeutung in heutigen Gesellschaften nichts mehr zu suchen haben sollten.

Kulinarische Zeitreise

Whiskey gehört zu Tennessee wie das Bier zu Deutschland. Und deshalb darf ein Whiskey-Tasting auch nicht fehlen. Das Wichtigste jedoch zuerst: In Tennessee ist bei der Schreibweise des Destillats aus Gerste, Weizen, Mais, Roggen oder Hafer das „e“ vor dem „y“ (fast) so wichtig wie der Reifeprozess in den ausgebrannten Eichenholzfässern. Und da ich lieber esse als trinke, lasse ich zwei der drei Tastings aus und gebe mich mehr den Geschmacksexplosionen der aus indigenen, afrikanischen und europäischen Einflüssen geprägten kulinarischen Vielfalt der traditionellen Südstaatenküche hin – Hot Chicken, Sea Food und den langsam gegarten Spezialitäten eines rustikalen Barbecue.

Outdoor Enthusiasten

Nach so viel Kultur und Kulinarik ist es an der Zeit, in den besuchten Regionen ein Auge auf die Sportmöglichkeiten zu werfen. Wer jedoch nicht nur zuschauen – in Nashville bieten sich die fußläufig vom Stadtzentrum erreichbaren Heimstätten der Titans (American Football) und Predators (Eishockey) an –, sondern stattdessen lieber den zusätzlichen Pfunden den Garaus machen und sich selbst bewegen möchte, hat in Tennessee die Qual der Wahl. Insbesondere Outdoor-Enthusiasten können sich im Naturidyll der 57 Naturparks des Bundesstaates austoben.

Cades Cove im Great Smoky Mountains National Park, Tennessee

Ob zum Wandern und Radfahren im unberührten Gebirge, zum Kajaken und Rafting auf den rauschenden Flüssen oder zum Schwimmen und Wassersport in und auf den vielen klaren Seen. Mit den imposanten Blue Ridge Mountains im Great-Smoky-Mountains-Nationalpark im Osten Tennessees – als Ausgangspunkte bieten sich Knoxville, Townsend und Gatlinburg an – kommen kleine und große Abenteurer beim Trekking, in Laufschuhen oder auf dem Mountainbike/Rennrad voll auf ihre Kosten. Auch wenn die kupierte „Cades Cove Scenic Loop Road“ im Great-Smoky-Mountains-Nationalpark lediglich elf Meilen lang ist, lohnt es sich, dort mittwochs gleich mehrere Runden mit dem Rennrad zu drehen, wenn zwischen Mai und September der Asphalt exklusiv den Radsportlern vorbehalten ist.

Finish line at IRONMAN 70.3 Chattanooga in Chattanooga, Tennessee. (Photo by Patrick McDermott/Getty Images for IRONMAN)

Und in Chattanooga? Die einst dreckigste Stadt Amerikas hat sich in den vergangenen fünfzig Jahren nach dem Motto „green und clean“ zu einem Vorzeigeobjekt in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz gemausert. Kein Wunder, dass all diese Maßnahmen ihre Wirkung zeigen, auch in der Renaturierung des Tennessee River, ansonsten würden die Triathleten beim alljährlich ausgetragenen Ironman 70.3 und Ironman dort wohl kaum den Schwimmauftakt bestreiten. Wer Chattanooga laufend entdecken möchte, sollte dies auf der neu angelegten Flusspromenade und den Bürgersteigen der verkehrsarmen Altstadt machen. Und mit dem Rad bietet sich der Anstieg zum Lookout Mountain von Rock City an, der belohnt wird mit einem Ausblick auf sieben US-Bundesstaaten.

Fotos: Andreas Conrad | FrontRowSociety.net