Haben Sie sich auch schon einmal etwas ausgeliehen? Aber nicht die üblichen Lebensmittel wie Eier, Zucker oder Butter für den Kuchen, sondern beispielsweise einen Koffer für die nächste Urlaubsreise. Wenige Tage vor einem spontanen Kurztrip auf die Kanaren stellte ich fest, dass meine über alles geliebte Reisetasche in der Nähe des Reißverschlusses einen kleinen Riss hatte. Die Sorge vor einer weiteren Beschädigung hielt mich davon ab, mit ihr die bevorstehende Reise anzutreten. Zum Glück gibt es gute Freunde und ich erhielt von jetzt auf gleich einen dunkelblauen Hartschalenkoffer mit einem seitlich integrierten Zahlenschloss. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen. Dachte ich.
Nach einem wirklich schönen Aufenthalt wollte ich nach der Landung in Frankfurt – Terminal 2, kurz vor 23 Uhr, Außenposition – einfach nur noch nach Hause. Und da die S-Bahn – wie üblich hatte ich mein Auto aus Kostengründen am nahegelegenen Stadion geparkt – zu der Uhrzeit nur noch alle Lichtjahre fahren, hatte ich es super eilig, schnappte mir – nachdem ich meinen Radkoffer bereits beim Sperrgepäck abgeholt hatte – den erstbesten dunkelblauen Hartschalenkoffer, rannte zum Skytrain, um kurze Zeit später im Terminal 1 im Keller in Richtung Bahnhof zu verschwinden. Nassgeschwitzt erreichte ich gerade noch die S-Bahn und freute mich auf mein zuhause. Aber kaum waren die Türen zu, wurde mir urplötzlich schwarz vor Augen. Nein, kein Schwindelanfall, ich hätte kotzen können. Aber nicht vor Übelkeit, sondern vor der Wahrheit!
Was hat das da herumbaumelnde Hängeschloss an „meinem“ Koffer zu suchen? Die Antwort war eindeutig und ließ den Boden unter meinen Füßen entgleiten. Die Feststellung, dass ich in meiner Eile, Baseligkeit und Unkonzentriertheit den falschen Koffer geschnappt hatte, verursachte das Gefühl, mich in diesem Moment auf der Welt unheimlich einsam und verlassen zu fühlen. Scheiße, scheiße, scheiße. Wieso ich? Warum heute? Warum jetzt, und zu dieser Uhrzeit? Was hatte ich nur verbrochen? Jetzt konnte ich anstatt nach Hause, mit dem Auto zurück zum Flughafen fahren, und hoffen, dass ich irgendwo die Koffer noch austauschen konnte. Als ich am Terminal 2 ankam, war es mittlerweile kurz nach Mitternacht, weit und breit keine Menschenseele. Schließlich sah ich einen umherirrenden Fraport-Mitarbeiter und bat ihn um Hilfe. Dieser ging mit mir zu den Gepäckbändern, wo aber natürlich – welch Überraschung – niemand mehr war. Von einem vereinsamten Koffer keine Spur. Freundlich führte er mich zum mittlerweile verwiesenen lost & found-Schalter der Fluggesellschaften. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er selbst lost war und ebenfalls nach Hause wollte. Er unternahm noch nicht einmal den Versuch, irgendwo anzurufen, wo ich den falschen Koffer zumindest hätte abgeben können. Er zeigte immer auf seine Uhr, und ließ mich zum wiederholten Male wissen, dass jetzt niemand mehr arbeitet. Ich möge doch morgen wiederkommen. Irgendwie nachvollziehbar, aber zu dem Zeitpunkt für mich das falsche Verständnis von Kundennähe. Und auch im Internet fand ich auf der Fraport-Seite keinen Hinweis auf einen Nachtschalter für „verlorene Koffer“. Ich versuchte sogar anhand des Namens auf dem Koffertag den Inhaber zu googlen – aber das war unmöglich. Es gab einfach zu viele Menschen in Deutschland, die Petra Schmidt heißen.
Glücklicherweise wohne ich im Rhein-Main-Gebiet und nicht in Kassel oder sonst wo. Also blieb mir nichts anderes übrig und ich fuhr mit dem falschen Koffer nach Hause, um bereits wenige Stunden später erneut am Flughafen anzukommen, um „meinen“ Koffer zu tauschen. Und das ging dann tatsächlich reibungslos, unkompliziert und ziemlich schnell.
Dummheit muss einfach bestraft werden oder um es mit den Worten meiner Mutter zu umschreiben: Eile mit Weile. Wie wahr.