Freunde fürs Leben

Dünen-SektfrühstückDünen-Sektfrühstück

Mein ganzes Leben fuhr ich nie alleine in Urlaub. Als Kind und zu Schulzeiten mit der Familie, später mit meiner Partnerin. Aber mit einem Mal war alles ganz anders.

Nachdem im August 1997 eine langjährige Beziehung in die Brüche ging, flog ich kurzentschlossen Anfang Dezember für zehn Tage in den Club Aldiana auf Fuerteventura. Sonne, Strand und Meer, das war alles, was ich zum Abschalten und Aufarbeiten der vergangenen zwölf Jahre benötigte. Ich gebe jedoch zu, dass es schon ein sehr komisches Gefühl war, alleine im Flugzeug zu sitzen. Über den Wolken stellte ich mir Fragen über Fragen: Was erwartet mich dort? Werde ich nette Leute kennen lernen? Bin ich kontaktfähig? Ist es ein Makel, als Single zu verreisen? Werde ich nach den letzten mit Geschäftsterminen voll gestopften Wochen in ein mentales Loch fallen?

Der erste Abend ist mir bis heute bleibend in Erinnerung geblieben. Ich ging allein zum Abendessen ins Restaurant, das mit seinen schön gedeckten Tischen mit Platz für acht Personen auf seine Gäste wartete. Ehe ich mich aber versah, stand ich wenige Minuten später schon wieder vor meiner Bungalowtür, ohne auch nur etwas verzehrt zu haben. Warum eigentlich? Diese Frage konnte ich mir beim besten Willen nicht beantworten. Es passierte einfach so. Vielleicht habe ich nach bekannten Gesichtern Ausschau gehalten, und da ich niemanden sah, bin ich wieder gegangen. Aber wie blöd ist das denn? In Wirklichkeit hatte ich mich einfach nicht getraut, mich zu wildfremden Leuten an den Tisch zu setzen. Geht’s noch, Herr Arendt? Setzen, sechs! Also noch mal von vorne und rein ins Restaurant, direkt ans Buffet, den Teller vollgepackt und todesmutig an einen Tisch mit einem Pärchen gesetzt. Na also geht doch!

Am nächsten Vormittag wurde eine Clubführung für Neuankömmlinge mit anschließendem Treffen der Single-Reisenden angeboten. Eigentlich hatte ich gar keine Lust, aber zum Glück überwand ich meine Schüchternheit. An die Clubführung selbst kann ich mich nicht mehr erinnern, aber an das Singletreffen. Von der ersten Minute an wurde gelacht, geredet und irgendwie auch ein wenig herumgeschäkert. Niemand hatte etwas zu verlieren, schließlich befanden sich alle im Urlaub und suchten Anschluss. Natürlich trugen auch die Animateure zu der ausgelassenen Stimmung bei. Alles kann, nichts muss! Das Schöne war, dass es wirklich niemanden interessierte, warum man alleine im Club war. Und von dem Moment an brauchte ich mir auch keine Sorgen mehr machen, im Restaurant nur auf mich gestellt zu sein. Und das war auch gut so.

Ausstrahlung und Attraktivität sind bekanntlich sehr anziehende Eigenschaften, kein Wunder also, dass die passenden Personen – ersten Hemmungen zum Trotz – sehr schnell aufeinander zugingen. Und erste Verabredungen ließen glücklicherweise nicht lange auf sich warten. Interessanterweise erwischte ich mich dabei, dass ich mich meist in der Nähe von Brigitte aufhielt, oder suchte die attraktive Frau mit den frechen kurzen Haaren etwa meine Nähe? Ehrlich gesagt, es war mir ziemlich egal, wir waren uns von Anbeginn an sympathisch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und von da an trafen wir uns fast jeden Tag entweder bereits zum Mittagessen oder um 13.30 Uhr an der Sprecherkabine. Ausgedehnte Strandwanderungen, Baden im Meer und die Teilnahme am Animationsprogramm ließen die Zeit wie im Flug vergehen. Die Ansage „wir treffen uns an der Sprecherkabine“ wurde in der Gruppe der Alleinreisenden zum geflügelten Wort. Immer mehr schlossen sich uns an, Fluch und Segen zugleich. Und so fielen wir auch dem Animationsteam als „eingeschworene Gemeinschaft“ auf. Es kam, wie es kommen musste, und wir wurden von den Animateuren dazu überredet, als „Stars der Gäste“ an einer großen Modenschau teilzunehmen. Nach sehr lustigen Proben sorgten bei der „großen Gala“ gutes Zureden und etwas Alkohol, dass die Zuschauer von unserer Nervosität und etlichen Patzern nichts mitbekamen. Der Applaus und das anschließende anerkennende Schulterklopfen taten sehr gut und halfen mir dabei, die zerbrochene Beziehung immer mehr ins Abseits zu drängen.

Die zehn Tage vergingen schlussendlich viel zu schnell. Was mich sehr nachdenklich stimmte, war die Aussage einer älteren Dame, die Brigitte und mich am Tag nach dem Black & White Abend beim Essen ansprach, dass sie – mit dem Hinweis auf die am Vorabend gemachten Fotos – auch so eine schöne Aufnahme von sich und ihrem Mann gerne hätte. Brigitte und ich schauten uns an und wussten keine Antwort darauf. Als wir das Foto später im Foyer sahen, mussten wir herzhaft lachen, denn wir beide sahen wirklich wie ein glückliches Paar aus. Gekauft haben wir uns das Bild nicht. Leider. Ich gebe zu, ein schöneres Kompliment konnte ich an meinem letzten Urlaubstag – und Brigitte natürlich auch – nicht bekommen, ein gutes Zeichen, dass meine vielen Sorgenfalten in diesen zehn Tagen wohl komplett verschwunden sein mussten.

Was mich heute jedoch am meisten freut, ist, dass Brigitte und ich uns über die vergangenen zwanzig Jahre nie aus den Augen verloren haben. Als „Partner in Crime“ telefonierten und trafen wir uns regelmäßig unregelmäßig. Ein schöner Beweis, dass sich aus Urlaubsbekanntschaften auch Freundschaften fürs Leben entwickeln können.